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STRANGER THAN FICTION 2024

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Liebe Freund*innen des guten Dokumentarfilms,

auch in diesem Jahr zeigen wir wieder eine kleine Auswahl des von der Kinogesellschaft Köln organisierten Dokumentarfilm-Festivals. Wir zeigen drei Filme, die bislang noch nicht im Kino zu sehen waren.

Mehr zum gesamten Festival demnächst hier.

Geographies of Solitude

Die Natur auf Sable Sands vor der Küste Kanadas

Zu einem Zeitpunkt, an dem die Umweltkrise dringlicher ist als je zuvor, glaube ich mit ganzem Herzen daran, dass das Kino einen Beitrag zum Heilungsprozess zwischen den Menschen und der Natur leisten kann.
Jacquelyn Mills

Seit Jahrzehnten lebt Zoe Lucas überwiegend alleine auf Sable Island, einer rauen Insel vor der Ostküste Kanadas. Lucas‘ Studien zur Biodiversität haben sie zu einer geschätzten Expertin gemacht. Die Regisseurin begleitet sie und dokumentiert, wie Lucas jedes Detail des Lebens auf der Insel intensiv studiert – auch und immer mehr die kontinuierlich angeschwemmten Mengen an Müll. Unablässig sammelt die autodidaktische Wissenschaftlerin ihn ein und säubert, sortiert und katalogisiert die Fundstücke für eine Langzeitstudie über die Entwicklung der Verschmutzung des Nordwestatlantiks. Mills hält diese akribische Arbeit auf 16-mm fest und experimentiert dabei selbst mit innovativen, umweltfreundlichen Filmtechniken. Wissenschaft und Kunst verschmelzen in den Aktivitäten der beiden Frauen und bereichern sich gegenseitig.

Auszug aus der Begründung der Caligari-Filmpreis-Jury: „Ein schillernder Käfer, der sich seinen Weg durch die Sanddünen ertastet, die sanften Bewegungen der Gräser im Wind, ein strahlender Sternenhimmel ohne den Lichtsmog der Stadt: Jacquelyn Mills’ lyrische 16-Millimeter-Filmaufnahmen öffnen unsere Sensibilität für den Beziehungsreichtum der materiellen Welt. Sie lässt unsere Sinne teilhaben am Werden und Vergehen des Lebens und zieht uns hinein in das komplexe Zusammenspiel einer Ökologie. Der Film begleitet die Forscherin Zoe Lucas, die seit vielen Jahren allein auf der sonst unbewohnten Sable Island vor der Küste Kanadas lebt und mit großer Hingabe die Spuren jedes Lebewesens dokumentiert. Ebenso verzeichnet sie rigoros die Belastung der Umwelt durch Plastikmüll, der in erschreckenden Mengen an die Ufer der Insel gespült und von der Forscherin in minutiöser Arbeit aufgelesen wird. Dabei schafft Mills mehr als ein intimes Porträt, sie erforscht zugleich in experimenteller Weise die Empfindsamkeit des filmischen Materials im Kontakt mit seiner Umgebung. In diesen außergewöhnlichen Figurationen von Erfahrung wird eine unaufdringliche Schönheit spürbar, die zur Verantwortung für die Welt aufruft.“

Kanada 2022 · R & K, S: Jacquelyn Mills · mit Zoe Lucas · ab 0 J. · 103′

Mi 25. Januar 2023  • 18:30 Uhr im Cinema (kleiner Saal)




Plakat Geographies of Solitude

Jacquelyn Mills
Regie, Drehbuch, Kamera, Schnitt, Produzentin

Geboren 1984 in Sydney, Nova Scotia, Kanada. Sie studierte Film und arbeitet als Regisseurin, Kamerafrau, Editorin und Sounddesignerin. Nach dem mittellangen Film In the Waves (2017) ist Geographies of Solitude ihr Langfilmdebüt.

Filmografie
2017 In the Waves (Dokumentarfilm) · 2017 Leaves (Kurzfilm) · 2013 For Wendy (Kurzfilm)

Auf der Homepage von Discover Halifax findet man elf interessante Fakten zu Sable Island. Zum Beispiel ist noch immer ungeklärt, wie die rund 500 Wildpferde auf das 42 Kilometer langen Eiland kamen. Weitere Informationen zum Natinalpark findet man auf der Homepage des Sable Island National Park Reserve.

Festivals & Auszeichnungen 2022

  • Berlinale Forum – Caligari-Filmpreis & CICAE Art Cinema Award & Preis der Ökumenischen Jury
  • Hot Docs, Toronto, Kanada – Bester Kanadischer Feature Film & Earl A. Glick Preis für die beste aufstrebende Regiesseurin
  • Jeonju International Film Festival, South Korea – Großer Jurypreis im Int. Wettbewerb
  • Las Palmas de Gran Canaria International Film Festival, Spain – CIMA Auszeichnung für den besten Film
  • Vilnius Film Festival, Lithuania
  • Art of the Real, New York, USA

27 Storeys – Alterlaa Forever

Humorvolle Annäherung an das „Wohnen wie die Reichen für alle“

27 Stockwerke, 10.000 Menschen: Der weltberühmte Wohnpark Alterlaa in Wien gilt als ikonisches Monument sozialer Utopie. Vom größten sozialen Wohnpark Österreichs und seinem einstigen Glücksversprechen handelt der humorvolle Debüt-Dokumentarfilm von Bianca Gleissinger. Sie kehrt an den Ort ihrer Kindheit zurück und begegnet dort seinen verschrobenen wie liebenswürdigen Bewohner*innen – im Schießverein, im Freddy Quinn-Museum oder am Pool auf dem Dach – und gewährt damit tiefen Einblick in ein soziales Biotop. „Wohnen wie die Reichen für alle“ war 1970 die utopische Prämisse des Architekten mit dem klangvollen Namen Harry Glück. Aber was ist von jenem Pioniergeist übriggeblieben?

Dieser Film ist eine witzige, sehr persönliche Annäherung an einen besonderen Ort und eine Auseinandersetzung mit den eigenen Wurzeln.

»In ihren Begegnungen mit denjenigen, die Alterlaa nicht verlassen haben, wird klar, dass ihr Mikrokosmos auch heute noch als Brennglas für unsere Zeit funktioniert. Er zeigt die demografische Kluft zwischen Jung und Alt. Der moderne Wohnpark von damals wirkt heute, so behaupten es kritische Stimmen, tatsächlich ein wenig wie das größte Altenheim Österreichs – oder zumindest wie das „Paradies für analoge Menschen“.« (Kathrin Schömer im baunetz.de)

Österreich, Deutschland 2022 · R & Db: Bianca Gleissinger · K: Klemens Koscher · S: Kai Eiermann, Antje Lass · 82′

Di 30. Januar 2024  • 18:30 Uhr im Cinema (kleiner Saal)

Bianca Gleissinger
Regie, Drehbuch, Produzent
 
*1990 Wien, Österreich
Nach einem Studium der Filmwissenschaft an der Universität Wien und der Freien Universität Berlin studierte sie an der Berliner Filmschule DFFB Filmproduktion.
 
2022 feierte „Performer“ (R: Oliver Grüttner) auf dem Filmfest München Premiere.
 
Der Dokumentarfilm „27 Storeys“ markiert ihr Debüt als Regisseurin und Autorin.

Einzeltäter Hanau

Den Ungesehenen einen Raum geben

Am 19. Februar 2020 ermordet ein Rechtsterrorist neun Menschen in Hanau: Said Nesar Hashemi, Hamza Kenan Kurtović, Ferhat Unvar, Sedat Gürbüz, Fatih Saraçoğlu, Gökhan Gültekin, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz und Kaloyan Velkov. Dieser rassistische Anschlag hat Hanau-Kesselstadt verändert. Hier leben Menschen verschiedener Herkunft, hier starben sechs der neun Opfer. Nach dem Anschlag halten Hinterbliebene, Eltern, Geschwister und Freunde der Opfer zusammen und versuchen gemeinsam, mit den Folgen der Tat umzugehen. Sie organisieren sich politisch, kämpfen um die Aufklärung der Tat und gegen Rassismus. Und sie fordern Konsequenzen bei Behörden, von denen sie sich im Stich gelassen fühlen. So entsteht ein neues Wir-Gefühl bei den Menschen aus Kesselstadt, die weiterhin in unmittelbarer Nachbarschaft mit dem Vater des Täters leben müssen.

Julian Vogel zeichnet ein Porträt dreier betroffener Familien zwischen Wut, Trauer und Entschlossenheit – für Konsequenzen und Gerechtigkeit. Der Film ist Teil einer Trilogie, die sich den Opfern der Anschläge in München (2016), Halle (2019) und Hanau widmet.

»In Julian Vogels Film dürfen junge Männer offen von ihrer Angst berichten, wenn sie von der Polizei angehalten werden. Obwohl alle in Deutschland geboren und in Hanau aufgewachsen sind, stellt sich bei ihnen nicht die Frage, ob etwas zu bemängeln ist, sondern was dieses Mal gefunden wird.« (FBW Besonders wertvoll)

Deutschland 2023 · R: Julian Vogel · Db: Julian Vogel · K: Luise Schröder, Julian Vogel • Mit Mustafa Noori, Karim Kurtović, Muhammed Beyazkendir, Dennis Wosiek, Armin Kurtović, Dijana Kurtović, Çetin Gültekin u.a. · 85′

Mo 29. Januar 2024  • 18:30 Uhr im Cinema (kleiner Saal)

Julian Vogel
Regie, Drehbuch, Kamera, Ton

Filmografie
2022/2023: Einzeltäter München (Regie, Drehbuch, Kamera)

2022/2023: Einzeltäter Hanau (Regie, Drehbuch Kamera Ton)

2022: Einzeltäter Halle (Regie, Drehbuch, Kamera, Ton)

2014-2016: Bilder vom Flo (Regie,Drehbuch,Ton)

2012/2013: Palast (Regie, Drehbuch)

2011/2012: Dalila (Regie)

2011: Tilman im Paradies (Regie)

Kraft der Utopie

Leben mit Le Corbusier in Chandigarh
Kurz nach der Teilung Indiens und der Befreiung aus der Kolonialherrschaft Englands soll am Fusse des Himalayas aus dem Nichts eine neue Hauptstadt für den Punjab gebaut werden. Die alte Hauptstadt Lahore war Pakistan zugeteilt worden. Die Planstadt Chandigarh steht für die neue Demokratie, den Fortschritt und den Glauben an die Zukunft. Engagiert wurden Architekten aus dem Westen. Zuerst Albert Mayer, dann der schweizerisch-französische Architekt Le Corbusier. Absichten, Visionen und Utopien kamen zusammen. Für Le Corbusier bot Chandigarh die einmalige Gelegenheit, sein Lebenswerk zu vollenden und seine städtebaulichen Ideen umzusetzen. Seine Vision war die einer modernen, humanen und gerechten Stadt, nach dem «Maß des Menschen» erbaut, die ein kulturelles Leben und ein harmonisches Zusammenspiel von Mensch und Natur ermöglichte. Zum 70-jährigen Bestehen der Planstadt von Le Corbusier fragen wir nach, ob in Chandigarh diese Vision Realität geworden ist. Der Film begleitet Menschen auf ihren Wegen durch die Stadt und sucht Orte und Schauplätze auf, an denen sich das schillernde Zusammenspiel von altem Traum und neuem Leben, von Utopie und Alltag, von Zerfall und leiser Poesie zeigen. Ein Zeitzeuge erinnert sich an die Gründerzeit. Die Direktorin des Le Corbusier Centers, ein Künstler, ein Schauspieler und ein Architekt erzählen vom Wagnis, sich hier niederzulassen und reflektieren ihr Leben in und mit Chandigarh. Auf Streifzügen treffen wir Bewohner:innen, die unseren Blick auf die Stadt erweitern und tauchen in das alltägliche Leben ein, welches sich die baulichen Strukturen zu eigen gemacht hat.

Schweiz 2023 · R: Karin Bucher, Thomas Karrer · Db: Karin Bucher, Valerie Knill · K: Thomas Karrer, Karin Bucher · OmU · 84′

Di 7. Februar 2023  • 18:30 Uhr im Cinema (kleiner Saal)

Karin Bucher

entwickelt seit 2002 als freischaffende Szenografin Ausstellungs- und Theaterprojekte für namhafte Kulturinstitutionen, Theater, Museen und in Zusammenarbeit mit Kulturschaffenden aus allen Sparten freie ortsbezogene Projekte wie Audiowalks, theatrale Rundgänge und installative Ausstellungen.
www.karinbucher.ch
 
Thomas Karrer

realisierte als Filmemacher in den letzten 30 Jahren zahlreiche Videoportraits und kurze Dokumentarfilme für Bildungsinstitutionen, Non-Profit-Organisationen, Museen, Kantone und Gemeinden sowie der Online-Plattformen der Universität St. Gallen.

Sein erster Kinodokumentarfilm «Zwischenwelten» hatte 2020 an den Solothurner Filmtagen Weltpremiere und war trotz Pandemie-Einschränkungen ein grosser Erfolg.
www.karrer-multivision.ch