Maple Movies 2023 – Denis Villeneuve
Denis Villeneuve wurde am 3. Oktober 1967 in Bécancour, Québec geboren und ist ein kanadischer Filmregisseur und Drehbuchautor.
Er wurde 1967 als Sohn von Nicole und Jean Villeneuve in der frankophonen Provinz Québec geboren und wuchs dort auf. Er hat drei jüngere Geschwister, darunter den Regisseur Martin Villeneuve.
Villeneuve studierte Film an der Université du Québec à Montréal und assistierte danach dem Dokumentarfilmemacher Pierre Perrault bei einem Filmdreh des Film Cornouailles am Nordpol. Nach zahlreichen Musikvideos und Kurzfilmen gab er 1998 mit Der 32. August auf Erden sein Debüt als Spielfilmregisseur. Der Film mit Pascale Bussières and Alex Martin in den Hauptrollen erregte internationales Aufsehen und wurde unter anderem auf dem Filmfestival Namur ausgezeichnet. Mit Maelström über eine 25-jährige Kanadierin, die einen norwegischen Fischer überfährt, gelang ihm 2000 der Durchbruch. Das außergewöhnliche Drama wurde mehrfach ausgezeichnet und war der große Sieger der Genie und Prix Jutra 2001.
Trotz dieses Erfolges war Villeneuve mit seinen ersten Werken unzufrieden und pausierte danach fast neun Jahre vom Filmemachen.
Maple Movies präsentiert seine Retrospektive mit 15 Filmen. Wir zeigen erstmal elf der Werke und nehmen die jüngsten vier Filme ins Programm, wenn die Reihe gut besucht ist.
Arrival
Wer sich verständigen kann ist im Vorteil
Unvermittelt dringen zwölf gigantische Raumschiffe in die Erdatmosphäre ein, und verharren rund um den Globus verteilt im Himmel. In diesem ultimativen Ausnahmezustand wird die Sprachwissenschaftlerin Louise Banks (Amy Adams) rekrutiert, um das US-Militär bei der Kontaktaufnahme mit einem Alien-Schiff zu unterstützen, das über einer unbesiedelten Ebene in Montana seine Position hält. Viel Zeit bleibt Louise nicht, denn mit jedem Tag ohne Erklärung für die außerirdische Präsenz nimmt die verunsicherte Menschheit die Raumschiffe mehr als Bedrohung wahr, was die Gefahr einer fatalen Eskalation zusehends wachsen lässt. – Betörend beiläufig bricht Denis Villeneuve in die Erhabenheit eines Ufos über grüner Wiese auf eine unmittelbar menschliche Perspektive herunter. Auf Grundlage der Sapir-Whorf-Hypothese – der zufolge jede Sprache eine ganz spezifische Wahrnehmung der Welt formt – folgt sein Film der überragenden Amy Adams bei ihrer semiotischen Detektivarbeit und gelangt so zu ebenso verblüffender wie kostbarer Wahrhaftigkeit: „Arrival“ erzählt wunderbar geerdet von Liebe, die Grenzen von Zeit und Raum überwindet.
USA 2016 · R: Denis Villeneuve · Db: Eric Heisserer, Ted Chiang · K: Bradford Young • Mit Amy Adams, Jeremy Renner, Forest Whitaker, Michael Stuhlbarg, Mark O’Brien u.a. · ab 12 J. · 117′
So 17. März 2024 • 20:15 Uhr Cinema 1
Enemy
Psychothriller um Dualität und Identität
Dem Geschichtsprofessor Adam (Jake Gyllenhaal) erscheint das Leben wie ein endloser, nicht greifbarer Traum. Gelangweilt von seinem Alltag und seiner Beziehung lässt er Tag um Tag in Lethargie verstreichen – bis er in einem Film den Schauspieler Anthony (Jake Gyllenhaal) entdeckt, der ihm bis aufs Haar gleicht. Verstört aber auch fasziniert von dieser Entdeckung, beschließt er, seinen Doppelgänger aufzuspüren. Je tiefer Adam in Anthonys Welt eindringt und dabei auch dessen Frau (Sarah Gadon) näher kommt, desto mehr scheinen die Grenzen zwischen den beiden Personen zu verschwimmen. Die anfängliche Neugier steigert sich zur Besessenheit; ein bizarres und tödliches Spiel beginnt, an dessen Ende nur einer übrig bleiben kann …
»Noch bevor er, ebenfalls mit Jake Gyllenhall in der Hauptrolle, den Erfolgs-Thriller „Prisoners“ drehte, widmete sich der kanadische Regisseur Denis Villeneuve der Adaption eines surrealen Romans von Nobelpreisträger José Saramago („Die Stadt der Blinden“). Die kafkaeske Inszenierung ist ihm hervorragend gelungen: eine hypnotische Reise in die verwinkelten und widersprüchlichen Pfade des Psycho-Sexuellen.« (programmkino.de)
»Wohin man nur schaut: Doppelgänger-Bilder. Das ist sehr schlüssig, vor allem weil Villeneuve nicht so sehr auf die Konstruktion eines Plots setzt, sondern sich auf das Vermitteln eines Klimas konzentriert. Er denkt in Bildern und nicht in Buchstaben wie Saramago. Und das unterscheidet das Kino nun mal von der Literatur.« (Deutschlandradio Kultur)
»So sahen Torontos Hochhausfassaden seit David Cronenbergs frühen Filmen nicht ähnlich bedrohlich aus wie hier, und das unwirtliche Glas- und Betonlabyrinth der Stadt ist ebenso verheert wie die Seelenlandschaften der Protagonisten. Kein Platz für Menschen, aber für fesselndes Kino.« (Spiegel Online)
»In kalten Bildern einer albtraumhaft bedrückenden Realität inszenierte Variation des Doppelgänger-Motivs, deren darstellerische und stilistische Konsequenz die rätselhafte Mehrdeutigkeit der Story wirksam unterstützt.« (film-dienst)
»…als hätten sich Franz Kafka, David Fincher und Alfred Hitchcock zur ultimativen Zuschauerverwirrung verschworen. In jeder Hinsicht phantastisch.« (KulturSPIEGEL)
Kanada/Spanien 2013 · R: Denis Villeneuve · Db: Javier Gullón · nach dem Roman „Der Doppelgänger“ von Nobelpreisträger José Saramago · K: Nicolas Bolduc • Mit Jake Gyllenhaal, Mélanie Laurent, Sarah Gadon, Isabella Rossellini, Joshua Peace u.a. · ab 12 J. · 90′
So 18. Februar 2024 • 20:15 Uhr Cinema 1
Die Frau, die singt
Packende Tragödie um ein erschütterndes Familiengeheimnis
Als der Notar Lebel (Rémy Girard) den Zwillingen Jeanne (Mélissa Désourmeaux-Poulin) und Simon Marwan (Maxim Gaudette) den letzten Willen ihrer Mutter Nawal (Lubna Azabal) eröffnet, sind die beiden bass erstaunt, zwei Umschläge überreicht zu bekommen – einen Brief für ihren Vater, von dem sie glaubten, er sei tot, und einen für ihren Bruder, von dessen Existenz sie überhaupt nichts wussten. Jeanne glaubt, dass in diesem rätselhaften Erbe der Schlüssel zu Nawals Schweigen liegt, in dem sie die letzten fünf Jahre ihres Lebens verbrachte. Sie ist sofort bereit, in den Nahen Osten zu reisen, um die unbekannte Vergangenheit ihrer Mutter zu erkunden. Simon berührt der postume Wille seiner Mutter, die immer kühl und distanziert zu ihm war, nicht. Aber er liebt seine Schwester und begleitet sie in das Land ihrer Vorfahren, auf der Suche nach der Frau Nawal, die so gar nicht ihrer Mutter ähnelt.
Mit Hilfe des Notars kommen die Zwillinge der Geschichte der Frau, die sie auf die Welt brachte, auf die Spur und entdecken ihr tragisches, unwiderruflich von Krieg und Hass gezeichnetes Schicksal – und den Mut einer außergewöhnlichen Frau.
INCENDIES Kanada 2010 · R: Denis Villeneuve · Db: Denis Villeneuve nach dem Theaterstück von Wajdi Mouawad · K: André Turpin • Mit Lubna Azabal, Mélissa Désourmeaux-Poulin, Maxim Gaudette, Rémy Girard u.a. · ab 12 J. · arab./franz.OmU · 131′
So 21. Januar 2024 • 20:15 Uhr Cinema 1
Der 32. August auf Erden
Eine existenzialistische Komödie in der Wüste
UN 32. AOUT SUR TERRE Kanada 1998 · R & Db: Denis Villeneuve · K: André Turpin • Mit Pascale Bussières, Alexis Martin, Frédéric Desager, Ivan Smith u.a. · ab 12 J. · franz.OmU · 85′
So 3. Dezember 2023 • 20:15 Uhr im Cinema 1
Kurzfilmprogramm
Drei Kurzfilme von bzw. mit Beteiligung von Denis Villeneuve
NEXT FLOOR
Kanada 2008 | 12′ | engl.OF (o.Dialog) | ab 18
Regie: Denis Villeneuve
Eine festliche Abendgesellschaft aus elf Personen verspeist genüsslich enorme Mengen appetitlich zubereiteten Wildbrets. Aufgrund ihrer Gewichtszunahmen knarzt der Fußboden verdächtig.
REW FFWD
Kanada 1994 | 30′ | franz./engl. OF | ab 18
Regie: Denis Villeneuve
Ein Fotograf, der in Jamaika eine »Miss World« fotografieren soll, strandet mit seinem Auto in Trench Town, dem Armenviertel von Kingston. Von seinen Vorurteilen und Ängsten zunächst paralysiert, findet er Kontakt zu Bewohnern des Viertels, das vor allem durch seine Reggae-Musiker bekannt geworden ist. Während er auf die Reparatur seines Autos wartet, erläutern einige von ihnen dem Gast die Lebenswirklichkeit und -philosophie von Trench Town. – Das mit subjektiver Kamera gefilmte »Psychodrama« eines westlichen Beobachters, dem dabei die Augen aufgehen: »Stop your cinema! Wake up!«
CORNOUAILLES
Kanada 1994 | 52’n | franz.OF | ab 18
Regie: Pierre Perrault
Unweit des Nordpols auf Ellesmere Island verfolgt eine wachsame Kamera hundertzwanzig Tage lang ein Tier mit Fell und Hufen, den uralten Moschusochsen, in Erwartung eines Kampfes dieses großen Bullen um die Vorherrschaft in seinem Revier. Im Licht des Spätsommers kommt es zum Kampf zwischen den pelzigen Streitern.
»Anfang der 1990er Jahre reiste Denis Villeneuve als Teil eines kleinen Teams mit dem Québecer Filmemacher Pierre Perrault nach Ellesmere Island, um einen poetischen naturkundlichen Dokumentarfilm über Moschusochsen zu drehen, die ihre Reviere in der Tundra verteidigen. ›Es geht um die Frankokanadier und Amerika‹, erklärte mir Villeneuve mit einem Augenzwinkern. Er war nur da, um die Stative herbeizutragen und die Suppe zu kochen, aber die Erfahrung war einschneidend. Wie die Wüste hatte auch die Tundra einen tiefen psychologischen Einfluss auf ihn.« (Helen Macdonald, The New York Times, 3.10.2021)
gesamt 94′
Do 21. Dezember 2023 • 20:45 Uhr Cinema, kleiner Saal
Maelström
Phantasiereich erzähltes, gewagtes Drama
Die 25-jährige Bibiane ist Luxus gewohnt: Aufgewachsen in einem wohlhabenden Elternhaus, leitet sie tagsüber mehrere Boutiquen und verbringt die Nächte in exklusiven Clubs. Doch ihr privilegierter Alltag kann nicht über die große emotionale Leere in ihrem Leben hinwegtäuschen. Als Bibiane ungewollt schwanger wird und zudem finanzielle Probleme ihre berufliche Existenz gefährden, droht sie den Halt zu verlieren. Nach der Abtreibung lässt sie sich ziellos durch das Nachtleben treiben, bis einer der mit Alkohol und unverbindlichen Flirts ausgefüllten Abende ein jähes Ende findet: Angetrunken verschuldet Bibiane einen Verkehrsunfall, der einem Mann das Leben kostet. Sie begeht Fahrerflucht, aber die diffuse Erinnerung holt sie letztlich ein. Völlig verzweifelt will sie Selbstmord begehen, doch dann begegnet sie Evian. Er ist der Sohn des Unfallopfers, und plötzlich nimmt Bibianes Leben eine neue, unerwartete Wendung. Mit seinem gewagten Drama konnte Regisseur Denis Villeneuve Publikum und Kritik gleichermaßen begeistern, nicht zuletzt dank der faszinierenden Präsenz der Hauptdarstellerin Marie-Josée Croze.
Kanada 2000 · R & Db: Denis Villeneuve · K: André Turpin • Mit Marie-Josée Croze, Jean-Nicolas Verreault, Stephanie Morgenstern, Pierre Lebeau, Kliment Denchev, John Dunn-Hill u.a. · o.A. · franz.OmU · 87′
So 17. Dezember 2023 • 20:15 Uhr Cinema 1
Polytechnique
Am 6. Dezember 1989 tötete ein Amokläufer insgesamt vierzehn Frauen an der École Poytechnique in Montreal
Ein junger Mann stürmt schwer bewaffnet die Technische Hochschule von Montreal. Er dringt in einen Seminarraum ein und trennt die fassungslosen Studenten nach ihrem Geschlecht. Während alle Männer den Saal verlassen müssen, bleiben die zu Tode verängstigten Frauen mit dem Amokschützen zurück. Es ist eine erbarmungslos kalte Szene – und da sie auf wahren Ereignissen beruht, ist ihr Ausgang kein Geheimnis: Viele Menschen sterben an diesem Tag. Dass diese Tragödie schon lange zurück liegt, nämlich Ende der 1980er Jahre geschah, mildert weder ihre Heftigkeit noch ihre Aktualität.
Denis Villeneuves mehrfach ausgezeichneter und viel diskutierter Film reflektiert die Tragödie aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Studierenden Jean-François und Valerié. Im steten Wechsel der Zeit- und Betrachtungsebenen gelingt so eine mutige, formal wie inhaltlich fordernde Auseinandersetzung mit einem willkürlichen Akt der Gewalt.
POLYTECHNIQUE wurde mit insgesamt neun kanadischen Genie Awards ausgezeichnet, darunter mit den Preisen für den Besten Film, die Beste Regie und die Beste Hauptdarstellerin.
Kanada 2009 · R: Denis Villeneuve · Db: Jacques Davidts, Denis Villeneuve, Eric Leca · K: Pierre Gill • Mit Karine Vanasse, Maxime Gaudette, Sébastien Huberdeau u.a. · ab 16 J. · franz.OmU · 77′
So 7. Januar 2024 • 20:15 Uhr im Cinema 1
Prisoners
Abgründe in einer Nachbarschaft
Eine triste Industriestadt in Pennsylvannia: Während ihre Familien gemeinsam Thanksgiving feiern, verschwinden die Mädchen Anna Dover und Joy Birch spurlos. Während Police Detective Loki (Jake Gyllenhaal) die offiziellen Ermittlungen in der traumatisierten Gemeinde übernimmt, scheut Annas verzweifelter Vater Keller Dover (Hugh Jackman) nicht vor drastischen Maßnahmen zurück, um sein Kind auf eigene Faust zu finden. Im Verlauf der fieberhaften Suche geraten die beiden gleichsam getriebenen Männer nicht nur aneinander, sondern werden auch mit ungeahnten Abgründen menschlichen Tuns konfrontiert, die sie beide zu verschlingen drohen. – Das von Kritik und Publikum gleichsam gefeierte US-Debüt von Denis Villeneuve begeistert als kompromissloser Neo Noir, der in finstersten Bildern (Oscar-nominiert fotografiert von Kameramann Roger Deakins) einem tröstlichen Funken Hoffnung nachspüren lässt.
USA 2013 · R: Denis Villeneuve · Db: Aaron Guzikowski · K: Roger Deakins • Mit Jake Gyllenhaal, Hugh Jackman, Viola Davis, Maria Bello, Terrence Howard u.a. · ab 16 J. · engl.OmU · 153′
So 4. Februar 2024 • 19:45 Uhr Cinema 1
Sicario
Eine Exekutive außer Kontrolle
Bei der Erstürmung eines Hauses an der Grenze zwischen Arizona und Mexico entdecken die FBI-Agentin Kate Macer (Emily Blunt) und ihr Team Dutzende Leichen, die in den Wänden des Gebäudes eingemauert waren. Es sind Opfer eines ausufernden Drogenkriegs, in den eine rasch eingeflogene Spezialeinheit eingreifen soll. Zu der gehört auch Alejandro (Benicio Del Toro), ein schweigsamer Berater mit undefiniertem Auftrag. Ohne Rücksicht auf geltende Gesetze beginnt die Truppe ihren Feldzug gegen das grenzübergreifend operierende Kartell, und alsbald muss sich die idealistische Kate fragen, ob der Zweck hier wirklich alle Mittel heiligt. Das gilt nicht zuletzt für das Vorgehen Alejandros, der als enigmatischer Söldner eine ganz persönliche Agenda zu verfolgen scheint. – Welche moralischen und ethischen Koordinaten unterscheiden in diesem Konflikt noch eine rechtswidrig agierende Exekutive und einen Sicario, einen Auftragsmörder? Die Frage nach der Spiegelbildlichkeit der Gewalt stellt Villeneuves grimmig wie grandios in Szene gesetzter Actionthriller gemeinsam mit seiner skeptischen Protagonistin, die erst um ihre Menschlichkeit und schließlich um ihr Leben kämpfen muss.
USA/Mexiko/Hongkong 2015 · R: Denis Villeneuve · Db: Taylor Sheridan · K: Roger Deakins • Mit Emily Blunt, Benicio Del Toro, Josh Brolin, Victor Garber, Jon Bernthal u.a. · ab 16 J. · engl.OmU · 121′
So 3. März 2024 • 20:15 Uhr Cinema 1